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Q: Wie geht es Ihnen zur Zeit? Wie verbringen Sie momentan Ihre Tage?
KS: Guten Tag. Danke der Nachfrage. Mir geht's inzwischen gut, nach einer doch recht schweren Krankheit vor zwei Jahren: irgendwas mit der Bauchspeicheldrüse, und danach - wohl durch den Krankenhausaufenthalt - hatte ich eine Muskelschwäche in den Beinen, ich konnte kaum gehen, und, oh mein Gott, ich war vielleicht abgemagert! Ich war wieder so so schlank und rank wie in den Siebzigern :-) Ich hatte dann viel mühsame Krankengymnastik und nun geht es wieder wie zuvor. Naja, fast. Man wird ja nicht jünger...
Meine Tage (und eher noch:) meine Nächte sitze ich - wie schon seit über 30 Jahren - im Studio und arbeite: ich spiele, nehme auf, editiere, mixe, und ich denke nach... denn Musik ist ja NICHT NUR Spontaneität. Sondern auch lange und harte Kopf- und Sitz-Arbeit.
Q: Was fällt Ihnen spontan zum Begriff "Berliner Schule" ein?
KS: Viele Artikel in vielen Musikmagazinen.
Q: In den 60ern, zu der Hoch-Zeit von Bands wie den Beatles,
haben Sie ebenfalls in Rockbands Bass, Gitarre und Schlagzeug
gespielt. Was hat den Ausschlag gegeben, dass sie sich mit TANGERINE
DREAM der elektronischen Musik zugewandt haben?
KS: Nun ja, das war eben die Zeit, der Aufbruch, politisch wie kulturell, gegen Ende der Sixties. Gerade in Berlin.
Einige Bands in Berlin spielten damals "seltsame" Musik, viele probierten was Neues. Das hieß dann Free Jazz
(der Brötzmann-Trommler Sven-Ake J. spielte zum Beispiel auch bei Tangerine Dream), oder Avantgarde, oder Underground,
was weiß ich... Mein Trio hieß PSY FREE und wir spielten in den damals angesagten kleinen Berliner Clubs, Litfass, Quasimodo,
und so weiter. Sagt man noch "angesagt"? Die Besetzung war: Orgel, Gitarre, Drums. Der Mann an der Gitarre was übrigens
Alex Conti (anschließend war er bei "Curly Curve", dann in Hamburger Bands: "Atlantis", "Rudolf Rock und die Schocker" und "Lake").
Ich spielte bei PSY FREE das Drum-Set, genau wie dann anschließend bei Tangerine Dream. Edgar hatte mich irgendwann
Ende '68 oder Anfang '69 bei einem Gig gefragt, ob ich nicht... denn sein Drummer hat gerade geschwänzt :-)
Q: Warum entschieden Sie sich kurze Zeit später, Anfang der 1970er, nicht mehr in Gruppen zu spielen?
KS: Achmeingott, schon zig mal erzählt. Eben das übliche. In Kürze: Eigene Ideen, die man nicht endlos mit anderen diskutieren wollte.
Bei Ash Ra Tempel war das eigentlich weniger ein Problem: wir verstanden uns prima, auch als ich dann wegging und was Eigenes machte.
Edgar war anders (der war ja auch drei Jahre älter), der wollte ein Trio a la Jimi Hendrix, er war ein großer Fan vom Jimi Hendrix. Und wenn ich da
ankam und selbstgemachte Orgel-Bänder rückwärts vom Bandgerät abspielte (!) nee, das fand er gar nicht lustig. Er wollte eine Rockband
mit Gitarre, Bass, Drums, und ich sollte eben NUR trommeln. Also ging ich und fummelte dann alleine herum, mit meiner
alten elektrischen Orgel, einer elektrischen Gitarre (die ich aber nicht wie Hendrix spielte :-) dazu ein kaputter Verstärker der schöne
"avantgardistische" Klänge von sich gab, und noch ein Echogerät, ... nun ja, ich hatte so meine seltsamen Ideen
von ganz anderer Musik. Und die erste eigene Platte von mir hieß dann Irrlicht. Q: Was fasziniert Sie so an Wagner, dass Sie als WAHNFRIED (benannt nach Wagners Haus) Musik eingespielt haben?
KS: Ich mag ihn eben, den Richard. Seine Musik, seine Art wie er sein Leben - auch in Extremen - führte, und dass er
und wie er "sein Ding" durchgesetzt hat. Und an seiner Musik faszinieren mich diese Klangflächen,
diese neuen - damals revolutionären - Akkorde.
Q: Ein Freund von Ihnen, Klaus D. Mueller, hat die Band IDEAL entdeckt. Auf
Ihrem damaligen Label (IC) erschien das IDEAL-Debutalbum mit dem Hit
"Blaue Augen". Haben wir Ihnen die "Neue Deutsche Welle" zu verdanken?
KS: Entdeckt hat er die Gruppe "X-Pectors" (schon mit EffJott und Annette), im Dezember 1979. Er sprach nach
einem Kant-Kino-Konzert EffJott an, es stellte sich heraus, das man sich von früher kannte: EffJott hatte da,
Anfang der Siebziger, noch lange schmierige Haare, stotterte, aber dealte schon mit alten Autos.
Jetzt sah er schnieke aus, und er hatte Stil; einen eigenen Stil; der später übrigens eine Titelstory im ZEIT-Magazin abgab.
Nun ja. Weiter im Text: kdm brachte Annette und EffJott zu IC, meinem Label damals, das ich eigentlich strikt
für "Elektronische Musik" gegründet hatte. Ich hatte also meine Bedenken, sehr starke Bedenken: Rock? New Wave?
(Den Begriff NDW gab's natürlich noch nicht). Damit konnte ich wenig anfangen, und ich muss auch zugeben:
der Enthusiasmus den kdm für die Humpe-Texte und die Musik mitbrachte, den hatte ich nun überhaupt nicht.
Kurz: es war nicht meine Welt. Als kdm dann aber die Hälfte der Kosten für die Produktion übernahm und die
ganze Sache mehr oder weniger alleine durchzog, hatte ich nix mehr dagegen. Er glaubte wirklich daran.
Auf kdm ist Verlass! Aber dass das dann SO ein Erfolg werden würde, konnte keiner ahnen, auch er nicht.
Für den Deal bei uns und für die Platte haben sich EffJott und Annette einen neuen Namen gegeben, eben: Ideal.
Die vorher größere Truppe um EffJott und die Humpe-Schwestern wurde nun zu einem recht zackigen oder schlagkräftigen Quartett.
"Keine Fisematenten", hätte EffJott dazu gesagt. Bass und Drums wurden nicht aus der alten Truppe übernommen. EffJott
wollte wirklich was "frisches". Q: Sie werden als "kreativer Impulsgeber" der elektronischen Musik in
Deutschland gesehen. Sie haben Soundtracks und Ballette komponiert und
klassische Musik neu eingespielt. Was hat Sie an "schnödem"
Pop und Techno bei Bands wie ALPHAVILLE und SNAP gereizt, die Sie
produziert haben? KS: Es war mal was anderes. Eine für mich ganz andere Welt. Sowas reizt mich.
Ich hoffe doch, dass das Adjektiv "schnöde" ironisch gemeint ist? Denn die Musiker beider Gruppen
machten ihre Musik sehr ernsthaft und professionell. Ich habe da einiges musikalisch-technische gelernt.
Nur weil jemand Erfolg hat, sollte man ihm nicht gleich sonstwas unterstellen. Die Franzosen oder Amis z.B.
machen das nicht, sondern freuen sich mit dem Erfolgreichen. Hier in Deutschland ist "Niedermachen"
leider die Regel (ist ja auch einfacher zu schreiben und macht mehr Spaß). Überlass' das dem "Spiegel"
- der damals übrigens NICHT EINMAL über die Sensation "Ideal" berichtet hatte (obwohl wir ihn
natürlich - damals noch per Telex - auf dem laufenden hielten). Erst, als Ideal viel später bei der
WEA war und WEAs Promotion-Abteilung denen eine Geschichte aufschrieb, wurde auch im Spiegel berichtet.
Das war dann etwa zwei Jahre nach der eigentlichen Sensation: unbekannte Band auf Winzig-Label
mit Gold-LP, dann Platin-LP und das mit sensationell GUTER & NEUER Musik :-)
...all das war dem Spiegel keine Geschichte wert, als sie passierte. Erst als zwei Jahre später die Promotion-Tante der WEA antanzte...
Q: Sind Sie jemals mit der damaligen Industrial-Szene (Throbbing Gristle, SPK, Cabaret Voltair) in Berührung gekommen?
Wenn ja, wie stehen Sie zu der Musik genannter Bands?
KS: Wenig bis gar nicht. Mein Freund und Partner kdm hatte "sowas" damals für die Eröffnungs-Party von IC
(31.Oktober 1980) auf Band aufgenommen und ließ es im Hintergrund laufen. Aber seine Musik war und
ist es ebenfalls nicht. Es war einfach nur neu, damals. Und er informierte sich und kaufte ein
paar Platten davon (natürlich beim "Zensor" in Berlin-Schöneberg). Aber eigentlich sind wir beide etwas romantischer
im Musikgeschmack, wir mögen "kalte" Musik weniger, und auch keine Dilettanten.
Q: Stimmt es, dass Sie ihren "Haupt-Synthesizer" der 70er Jahre, den "Big Moog", bei ebay versteigert haben?
Waren Sie traurig und brauchten etwa den Platz?
KS: Ich habe viele alte Instrumente weggegeben, das ist richtig. Das tat ich eigentlich schon immer.
Was dann damit jeweils geschehen ist, weiß ich nicht genau und es interessiert mich auch nicht.
Diese Instrumente waren und sind Handwerkzeuge. Meist sogar gute Handwerkzeuge, sonst würde ich sie ja nicht
benutzen und damit spielen. Aber irgendwann gibt's neue und bessere Werkzeuge. Und ich benötige natürlich auch den Platz im Studio.
Ich bin ja kein Museum und auch kein Fan, sondern aktiver Musiker. Manchmal erreichen kdm
heute noch Anfragen von Fans, die irgend ein altes kaputtes Teil gekauft haben, und der
Verkäufer hat's ihnen als "original aus dem Besitz von Klaus Schulze" angedreht. Auch kdm kann
und will diesen netten Fans nix bestätigen. Wie sollte er von Berlin aus irgendeine Kiste die nun
in Japan oder Mönchengladbach steht, als "original von KS" erkennen? Ja, Dank "ebay"
wird da auch Missbrauch... ach, lassen wir das. Für mich sind diese alten Kisten keine Fetische.
Ich lobe sie gerne wenn sie gut sind, wenn sie mir nützlich sind, und wenn sie funktionieren. Aber ja doch.
Q: Wie stehen Sie zu Sampling und Copyright-Debatten, bzw., was waren
Ihre ersten Gedanken, als Anfang der 90er die kreative Nutzung von
Musik- und Textsamples rechtlich gesehen bereits deutlich
eingeschränkt wurde?
KS: Das Copyright auf Musik gibt es natürlich nicht erst seit "Anfang der 90er" sondern
schon acht Jahrzehnte länger. Und das ist auch gut so. Man kann nicht einfach fremde Musik
ohne zu fragen benutzen oder sie sogar als "die eigene" verkaufen. Das sollte eine
Selbstverständlichkeit sein. Und wenn dann manche darauf auch noch eine Karriere aufbauen, ich weiß nicht recht, das grenzt an Kriminaltät?
Ich denke da z.B. an Moby, der einfach diese alte 1961er Blues-Serie von Alan Lomax auf Atlantic
geplündert hat, "bumm-bumm" rübergelegt, und fertig ist'n Moby-Hit? Merken das die
Hörer denn nicht, dass das ganz andere Musik ist? Und wieso bemerkt das auch kein Journalist und
sagt's ihnen deutlich? Und spielt das Original?! ... Verrückte Welt. Q: Inwieweit plädieren Sie vielleicht sogar für eine unentgeltliche Nutzung von
urheberrechtlich geschütztem Material in Form von Samples?
KS: Wenn ich etwas haben möchte was andere geschaffen haben, muss ich denjenigen fragen,
und die Nutzung natürlich bezahlen. Ist der andere ein Kollege, ist er vielleicht
sogar ein Freund, und ich frage nett, bekommt ich sicher oft sein "okay" kostenlos.
Und er bekommt ein Sample von mir, wenn er's haben möchte. Sowas ist gang und gäbe in
der professionellen Musikszene. Wenn nicht, muss ich eben dafür etwas bezahlen. Das ist
weder Bosheit noch Geldgeilheit, sondern normal. Es handelt sich ja auch meist nicht um
Riesen-Summen. Wenn allerdings nur mit und wegen dieser Fremdmusik (Moby schon wieder!)
Millionen verkauft und eingenommen werden, dann sollte ich auch einen Batzen davon dem
eigentlichen Urheber bezahlen. Was EIGENES zu schaffen ist mühsam und das sollte nicht
vergessen werden: es ist auch mit manchmal recht großen Kosten verbunden. Q: Die kosmische Musik-Szene hatte immer einen Hang zur New-Age-Bewegung. Was hat Ihnen damals New Age bedeutet?
Ist die Bewegung für Sie heute noch relevant?
KS: Weder "kosmische Musik" noch "New Age" sind Begriffe, die ich auf meine Musik angewandt
wissen möchte... um es mal höflich auszudrücken. Diese "Bewegung" (ist da
überhaupt sowas wie "Bewegung" in dieser Muzak?) interessiert mich nicht die Bohne.
Q: Den Soundtrack zu welchem schon gedrehten Film hätten Sie gerne komponiert, und warum?
KS: Eine sehr hypothetische Frage. Ja, ich sehe gerne Filme, alle möglichen Filme, und es muss nicht
immer "hohe Kunst" sein. Also, meine Antwort: Viele. Zu viele.
Q: Mit welchem Musiker würden Sie gerne noch zusammen arbeiten, und warum?
KS: Ich hab's mal versucht bei J.J. Cale. Aber der wollte nicht. Doch, ja, ernsthaft. Kein Witz.
Q: Wie kamen sie eigentlich dazu, Erotik-Filme, wie Body Love von Lasse Braun musikalisch
zu untermalen. Haben Sie immer noch Kontakt zu Lasse Braun?
KS: Musikmachen ist mein Beruf, ich verdiene seit über 30 Jahren mein Geld damit. Und dazu gehört auch
das Musikmachen für Filme. Zudem war Lasse Braun ein "Guter". Sehr sympathisch. Seine Pornos
waren auch etwas besonderes, damals. Man kann sagen: sie waren revolutionär, ich wiederhole: damals.
Nein, ich habe seit dieser Zeit keinen Kontakt mehr zu Lasse Braun.
Q: Wie beurteilen Sie den Werdegang der elektronischen Musik speziell in Deutschland? Wo sehen Sie heute noch Potential?
KS: Achmeingott, was für 'ne umfangreiche Frage. Vor allem das mit dem "Werdegang". Ich habe leider keine
Antwort parat. Hätte ich, würde ich ein Buch schreiben. (... "oder schreiben lassen" ,ruft kdm aus dem Hintergrund :-)) Q: Was haben Sie für Zukunftspläne? Was dürfen wir von Klaus Schulze in nächster Zeit erwarten?
KS: Nun ja, eine nächste Platte. Und dann wieder eine.
Lange vor einem Ereignis (ein neues Album oder sonstwas) schon darüber zu sprechen,
kann auch in die Hosen gehen. Ich sehe es doch bei vielen anderen: Große Ankündigung,
und dann kommt nix. Das ist peinlich. Das will ich mir ersparen. Q: Wir bedanken und herzlichst für das Interview und wünschen Ihnen weiterhin frohes Schaffen und viel Erfolg.
KS: Danke ebenfalls für das freundliche Interesse. Tschüss.
PS: Das zum Schluss erwähnte Bologna-Nachhol-Konzert war für den 8. April 2008 fest gebucht,
dazu am 6. April 2008 ein Konzert in Paris. Eine Woche vorher wurde Klaus erneut plötzlich recht krank und
diese beiden Konzerte mussten abgesagt werden. Inzwischen (wir setzten dies Interview hier im April 2009 rein)
geht's ihm wieder prima, wie man auf der Loreley, in Berlin und in Warschau sehen und hören konnte. | ||||||||||||||||||